Fangesänge bei der EM: Diametrale Gänsehaut

Tim 19. Juni 2012

Lars Bender ist schuld. Dank seines Tores in der 80. Minute zum 2:1 der Deutschen Nationalmannschaft gegen die Dänen standen am Ende erneut drei Punkte auf dem Konto der Jogi-Elf. Und 13.000 Deutsche Fans fiel mal wieder nichts besseres ein, als im monotonen Sprechchor “Sieg” zu rufen.

Gänsehaut wie wir sie nicht mögen

Abgesehen davon, dass der Schlachtruf nicht besonders kreativ ist, so ruft er doch bei vielen Zuhörern ein Schaudern hervor. Wenn aus tausenden von Kehlen gepaart mit rhytmischen Klatschen eine Geräuschkulisse ertönt, dann fühlen sich viele an Massenveranstaltungen in faschistischen Diktaturen erinnert. Wenn das Ganze dann aber noch in Ländern wie der Ukraine und bald – so ist zu befürchten – Polen angestimmt wird, so wird der Fangesang nicht nur unheimlich, sondern vor allem peinlich. “Habt Ihr nicht einen Hauch von Fingerspitzengefühl?” möchte man den Besuchern in weißen Trikots mit Bundesadler auf der Brust zurufen. Doch die Frage erübrigt sich, die Antwort ist ein klares “Nein”. Aber zumindest der DFB bzw. der “Fanclub Deutsche Nationalmannschaft” sollten hier Stellung beziehen und darauf hinwirken, dass solch doppeldeutige Lieder nicht gesungen werden – erst recht nicht in Länder, die im Dritten Reich unter der Deutschen NS-Herrschaft leiden mussten.

Gänsehaut wie wir sie lieben

Dass es viel schöner geht – und vor allem viel kreativer – das haben die Irischen Fans mal wieder unter Beweis gestellt. Trotz einer Bilanz von 0 Spielen und 1:9 Toren nach den drei Gruppenspielen feierten sie ihre Mannschaft nach jedem Spiel enthusiastisch und zollten dem gezeigten Einsatz Respekt. Bis zu 30.000 Iren hatten sich auf den Weg zu den Spielorten ihrer Mannschaft gemacht, auch wenn mindestens ein Drittel von Ihnen gar keine Eintrittskarte zum Spiel hatte. Friedlich gefeiert in den Städten – und in den Fankurven der Stadien den bislang größten Chor aller Fangruppierungen erzeugt. Es war einer DER Gänsehautmomente dieser EM, als direkt nach der deftigen 0:4-Niederlage der Mannschaft von der Insel gegen die Spanier die mitgereisten Fans das Irische Volkslied “Fields of Athenry” anstimmten:

 

Damit haben die Iren unter Beweis gestellt: sie sind nicht nur kreative und können besser singen als die Deutschen Fans, sie haben vor allem auch deutlich mehr Fingerspitzengefühl.

Danke, Irland, für diesen Moment.