Schulterklopfen statt Diskurs: 11 Freunde kuscheln mit dem FC St. Pauli
Wie bereits berichtet war der Jahresrückblick der 11Freunde gestern Abend in Hamburg eine unterhaltsame Veranstaltung mit schönen Einspielern und Anekdoten. Auch die Podiumsgäste haben ihren Teil zur allseits guten Laune beigetragen.
Die Zusammenstellung des Podiums war allerdings ein Paradebeispiel dafür, was die 11 Freunde als zentrales Organ der Fußballkultur in Deutschland leider immernoch vermissen lassen: Mut zum Diskurs mit dem Ziel, wirklich etwas zu verändern.
Das Podium sah mehr nach Weihnachtsfeier des FC St. Pauli als nach einer Diskussionsrunde aus und das, obwohl Moderator Philipp Köster immer wieder versuchte, brisante Themen der aktuellen Fußballpolitik anzuschneiden. Auf den Tisch kamen der PR-Gau der BILD-Zeitung mit den “Wir helfen”-Aufnähern für Flüchtlinge, die Verteilung der Fernsehgelder und die wankende 50+1 Regelung der DFL. Ohne Gegenspieler bekam St. Pauli Manager Rettig eine Bühne, um seine Standpunkte zu erklären, St. Pauli Spielerlegende Boll flankierte mit blumigen Worten für die Fanseele und St. Pauli Barde Thees Uhlmann vollendete mit ein paar Späßchen. Richie Golz konnte als Vierter im Bunde und einziger Nicht-Braun-Weißer mangels aktueller Einblicke wenig beitragen, weder aus Hertha- noch aus HSV-Sicht.
Alle waren sich ausnahmslos einig und man klopfte sich gegenseitig auf die Schultern in der festen Gewissheit, stets und uneingeschränkt auf der moralisch richtigen Seite zu stehen. Letzteres trifft man bei Anhängern des FC St. Pauli übrigens häufiger an, so wie bei Mercedesfahrern die eingebaute Vorfahrt, aber das ist ein anderes Thema.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Inhaltlich sind die Standpunkte der 11 Freunde gegen die BILD-Aktion und die Umverteilung der Fernsehgelder zulasten der kleinen Vereine sowie ihr Eintreten für den Erhalt der 50+1 Regel vollkommen richtig und es ist großartig, dass sich der FC St. Pauli wie kaum ein anderer Club für diese Anliegen einsetzt. Aber wenn man eine Podiumsdiskussion ansetzt, um vermeintlich einen Diskurs zu starten, dann sollte man auch die dazu holen, die andere Standpunkte vertreten, mit dem Ziel, diese und andere Gegenspieler zu überzeugen. Gegenseitiges Schulterklopfen hilft nur dem eigenen Ego.
Vermutlich ist so ein Ansatz für eine nette Abendveranstaltung etwas viel verlangt. Trotzdem sind die von Moderator Köster angerissenen Standpunkte für den Erhalt der Fußballkultur in Deutschland so wichtig, dass es wünschenswert wäre, sie wirkungsvoller zu vertreten. Die 11 Freunde haben das Potential dazu, allerdings müssten sie dafür ein wenig mehr aus ihrer Komfortzone herauskommen und auch die zu Wort kommen lassen, die anderer Meinung sind. Also, weiter so, 11 Freunde und ran an Kalle & Co!
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